Wissensmanagement im KMU –
Teil 2: Wissensarten & Wissensformen – Implizites Wissen sichtbar machen
Warum die Art des Wissens für KMU über Erfolg oder Stillstand entscheidet
Wissen ist nicht gleich Wissen. Im Arbeitsalltag kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) wird oft vorausgesetzt, dass Mitarbeitende „schon wissen, wie es geht“. Doch gerade diese Annahme führt in der Praxis häufig zu Fehlern, Reibungsverlusten – oder im schlimmsten Fall zum Verlust von unternehmenskritischem Know-how.
Wenn wir von Wissensmanagement im KMU sprechen, ist es essenziell zu verstehen, welche Arten von Wissen überhaupt existieren – und wie sich diese voneinander unterscheiden. Nur dann kann gezielt angesetzt werden, um dieses Wissen zu sichern, zu teilen und strategisch zu nutzen.
Welche Wissensarten gibt es im Unternehmen?
Im professionellen Wissensmanagement unterscheiden wir vor allem zwei Hauptkategorien:
1. Explizites Wissen
Dieses Wissen ist schriftlich, formalisiert und leicht dokumentierbar. Es findet sich in:
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Handbüchern
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Prozessbeschreibungen
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Checklisten
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Datenbanken
Beispiel: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Rechnungsstellung.
2. Implizites Wissen (auch: tacit knowledge)
Dieses Wissen ist in Köpfen gespeichert, erfahrungsbasiert und schwer zu formulieren. Es zeigt sich in:
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Intuitionen
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Erfahrungswerten
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zwischenmenschlichem Fingerspitzengefühl
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Problemlösungsverhalten
Beispiel: Die Fähigkeit einer erfahrenen Projektleiterin, Spannungen im Team frühzeitig zu erkennen – obwohl diese nirgends dokumentiert sind.
Warum gerade implizites Wissen für KMU kritisch ist
Explizites Wissen lässt sich durch Digitalisierung und Standardisierung gut sichern. Implizites Wissen jedoch ist versteckt – und geht oft verloren, wenn erfahrene Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. In KMU ist das besonders gefährlich, weil Schlüsselpositionen häufig mit Einzelpersonen besetzt sind, die bestimmte Aufgaben „immer schon so gemacht haben“.
Risiken bei fehlender Sicherung:
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Kundenbeziehungen werden lückenhaft
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Qualitätsstandards schwanken
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Einarbeitung neuer Mitarbeitender dauert unnötig lange
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Innovationsfähigkeit sinkt, weil Erfahrungswissen fehlt
Drei weitere Dimensionen: Wissensformen im Unternehmenskontext
Neben der Unterscheidung zwischen explizit und implizit ist es sinnvoll, Wissen auch nach seiner Trägerebene zu betrachten:
Individuelles Wissen
Wissen einer einzelnen Person. Z. B. Softwarekenntnisse, Erfahrungswissen, berufliche Expertise.
Teamwissen
Wissen, das in einer Arbeitsgruppe geteilt wird. Z. B. gemeinsame Routinen, interne Abläufe.
Organisationales Wissen
Wissen, das in Prozessen, Tools und Kulturstrukturen des Unternehmens verankert ist. Z. B. CRM-Systeme, Unternehmenswerte, Onboarding-Pläne.
Fazit: Nur wenn alle drei Ebenen gepflegt werden, kann sich Wissen im Unternehmen nachhaltig entfalten.
Warum implizites Wissen oft unterschätzt – und selten gesichert wird
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Es ist schwer greifbar: Man merkt oft erst, wie wertvoll es war, wenn es weg ist.
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Es wird nicht als strategisch erkannt: Viele KMU setzen Wissenssicherung mit IT gleich.
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Es fehlt der Prozess: Ohne klaren Rahmen wird Wissensweitergabe dem Zufall überlassen.
So machen Sie implizites Wissen in Ihrem Unternehmen sichtbar
✔️ Erfahrungsinterviews
Führen Sie strukturierte Gespräche mit erfahrenen Mitarbeitenden. Fragen Sie nach Situationen, Fehlern, Lösungen – und dokumentieren Sie diese.
✔️ Mentoring-Tandems
Koppeln Sie erfahrene Mitarbeitende mit neuen Kolleg:innen. Lassen Sie sie „on the job“ Wissen weitergeben – bewusst und geplant.
✔️ Lessons Learned-Sessions
Etablieren Sie ein Format, bei dem nach Projekten gemeinsam reflektiert wird:
Was lief gut? Was war überraschend? Was nehmen wir mit?
✔️ Shadowing-Programme
Neue Mitarbeitende beobachten erfahrene Kolleg:innen – nicht nur passiv, sondern mit gezielten Beobachtungsaufträgen und Reflexionsphasen.
Die Rolle von Tools bei der Sicherung von Wissensarten
Technologie kann helfen – aber nur, wenn sie gezielt eingesetzt wird.
Tool | Unterstützt bei … | Beispiel |
---|---|---|
OneNote / Notion | Dokumentation & Sammlung | Interviewprotokolle, Projektwissen |
Miro / Whiteboards | Visualisierung von Prozesswissen | Wissenslandkarten, Ablaufschemata |
Loom / Screencasts | Erklärung komplexer Abläufe | Onboarding-Videos, Tutorials |
ChatGPT / KI-gestützte Systeme | Aufbereitung & Strukturierung | FAQs erstellen, Interviews zusammenfassen |
Praxistipp für Führungskräfte
Starten Sie in Ihrer nächsten Abteilungsbesprechung mit der Frage:
„Welche drei Dinge weißt du in deinem Job, die niemand sonst so genau weiß – und die unbedingt erhalten bleiben sollten?“
Notieren Sie die Antworten. Diese Frage ist der erste Schritt zur strukturierten Wissenssicherung.
Coachingfrage
Welche Form von Wissen ist in Ihrem Unternehmen am stärksten gefährdet – und was tun Sie, um sie zu erhalten?
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